Projekt: ftsk
Real-World-Problem
Unzureichende Sprachkenntnisse im Bereich der Mehrsprachigkeit führen zu Problemen im täglichen Leben. Menschen mit Migrationshintergrund haben beispielsweise Schwierigkeiten, wenn sie Behördengänge erledigen oder Diagnosegespräche mit Ärztinnen und Ärzten führen müssen. Die Möglichkeiten zur Gestaltung des eigenen Lebens und zur gesellschaftliche Teilhabe sind dann massiv eingeschränkt.
Dolmetschende sprachliche Unterstützung kann hier helfen. Aber häufig stehen vor Ort für einzelne Sprachen keine Übersetzungskräfte zur Verfügung. Die fehlende Kopräsenz von Dolmetschern und Gesprächspartnern wird zwar weltweit seit den 70er Jahren durch Telefondolmetschen (und Videodolmetschen) kompensiert (und von einem großen Markt mit vielen kommerziellen Anbietern bedient). Aber auch bei hoher Professionalisierung sind diese Verfahren nicht nur technisch störanfällig. Sie weisen auch viele sprachlich-translatorische Probleme auf.
Übersetzung des realweltlichen Problems in eine sprachwissenschaftliche Fragestellung
Sprachliche Probleme haben häufig nicht nur inhaltliche, sondern strukturelle Ursachen. Fehlende Kopräsenz der Beteiligten von Gesprächen spielt eine große Rolle, ist aber für den Bereich des Dolmetschens noch weitgehend unerforscht. Es müssen deshalb anhand eines Gesprächskorpus mit der gesprächsanalytischen Methode der Transkription diejenigen Abschnitte und diejenigen musterhaften Sprachhandlungen in gedolmetschten Gesprächsabläufen identifiziert und analysiert werden, die sprachliche Probleme verursachen können.
Forschungsprozess
Im Forschungsprojekt werden Audio- und Videoaufnahmen von quasi-authentischen zweisprachigen Beratungsgesprächen zu sozialen Situationen, bei denen Dolmetscher (deutsch-arabisch) per Telefon übersetzen, zu einem Korpus zusammengestellt. Die Gespräche werden computergestützt transkribiert, annotiert und mit gesprächsanalytischen Verfahren ausgewertet.
Dabei werden Probleme mehrsprachiger Transkription und Annotation identifiziert (z. B. linksläufige vs. rechtsläufige Transkription; Transkription dialektaler Sprache), Kommunikationsstörungen aufgedeckt und insbesondere Phänomene des Sprecherwechsels (Turn-Taking) analysiert. Es soll insbesondere geklärt werden, wie nicht wahrnehmbare nonverbale Kommunikationsmittel (z. B. Gestik, Mimik) durch paraverbale Signale (z. B. Stimmhöhenwechsel, Sprachtempo, Akzentsetzung) kompensiert werden.
Übersetzung der Forschungsprozesse für das realweltliche Problem
Durch die Identifizierung von strukturell problematischen Positionen soll geklärt werden, in welchen Gesprächsabschnitten Störungen gehäuft vorkommen und wie der Einsatz spezifischer sprachlicher Mittel die Verständnissicherung beim Telefondolmetschen herstellen und verbessern kann.
Real-World-Solution
Forschungs- und Praxisworkshops, bei denen kommunikative Strukturen des Telefondolmetschens präsentiert und praktische Konsequenzen für das zielführende Telefondolmetschen diskutiert werden.
Die Ergebnisse des Projekts sollen in Dolmetschtraining und Dolmetscherausbildung einfließen.
Beteiligte
- Leitung: Prof. Dr. Bernd Meyer (Johannes Gutenberg Universität Mainz) unter Mitwirkung von Dr. Rahaf Farag.
- Kooperationen mit Prof. Dr. Kristin Bührig, Prof. Dr. Sabine Braun, Prof. Dr. Claudio Baraldi, Prof. Dr. Laura Gavioli, Prof. Dr. Claudia Angelelli sowie mit Prof. em. Dr. Martin Forstner, Mohammed Alaoui, Andreas Bünger, Dr. Thomas Schmidt, Dr. Dris Soulaimani, Dr. Ahmad Al-Harahsheh.
Annalisa Russo, Universität Würzburg/Universität Salerno