Beraten

Eine Definition: Beraten als angewandt-linguistisches Tätigkeitsfeld

Beraten meint das fachlich begründete Erklären sprachbezogener Probleme vor dem Hintergrund einer Situationsanalyse. Das Ergebnis ist ein Angebot von Lösungsvorschlägen oder Handlungsempfehlungen für ein erkanntes Sprachproblem. Es richtet sich an Einzelpersonen, Personengruppen und Organisationen aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft.

Simone Voran, Universität Würzburg

Tätigkeitsfelder: Beraten

Wer wird warum beraten? 

Tagtäglich stellen sich Fragen zu Sprache und sprachbezogenen Themen: Wie kann die Identität des neuen Start-Ups sprachlich transportiert werden? Welche Vornamen sind aktuell beliebt oder haben eine besondere Bedeutung? Sollte man E-Mails mit „Liebe Mitarbeiter“, „Liebe MitarbeiterInnen“ oder eher mit „Liebe Mitarbeiter*innen“ beginnen? Und nicht zuletzt ergeben sich auch viele allgemeine Fragen zur Rechtschreibung, Grammatik oder zur angemessenen Übersetzung.

Um Hilfestellungen zu erhalten, nehmen Privatpersonen, Unternehmen, politische Parteien und viele weitere Institutionen Sprachberatung in Anspruch. Ziel der Angewandten Linguistik ist es, Lösungsvorschläge und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten.

Wie läuft Beratung ab? 

Zunächst wird identifiziert, in welchem Bereich gesprochener oder geschriebener Sprachverwendung sprachliche Schwierigkeiten oder Unsicherheiten vorliegen. Als Ergebnis einer linguistischen Analyse werden Lösungsvorschläge zur Bewältigung des Problems präsentiert und begründet. Es liegt in der Hand der Ratsuchenden, inwieweit die Vorschläge umgesetzt werden.

Einzelne Angewandte Linguistinnen und Linguisten sowie institutionalisierte Sprachberatungsstellen bieten vielfältige Angebote: Sie prüfen und korrigieren Texte, schlagen Mustertexte vor, erteilen Auskünfte und erstellen Gutachten. Es werden außerdem Seminare und Workshops zu übergreifenden Themen wie z. B. der geschlechtergerechten, barrierearmen oder bürgernahen Sprache angeboten.

Wo findet Beratung statt? 

Das Spektrum an direkten Anlaufstellen für Sprachberatung ist breit gefächert und weist zum Teil einen hohen Spezialisierungsgrad auf. Sprachberatungsstellen werden von sprachwissenschaftlichen Fächern an Universitäten, sprachwissenschaftlichen Fachgesellschaften und kommerziellen Anbietern betrieben. Sie reagieren auf Anfragen zu sprachlichen Einzelphänomenen und entwickeln alltagstaugliche Hinweise und Ratschläge.

Die Duden-Sprachberatung oder die Sprachberatung der GdfS helfen bei Fragen und sprachlichen Zweifelsfällen rund um Themen wie Grammatik, Rechtschreibung, Etymologie von Wörtern und Namen sowie Ausdruck und Stil.

Die Gesellschaft für deutsche Sprache unterhält einen eigenen Redaktionsstab im Deutschen Bundestag, der sich auf die Text- und Sprachberatung für politische Themen konzentriert.

Auch im Bundeskriminalamt wird im Rahmen forensischer Linguistik beraten. Angewandte Linguistinnen und Linguisten analysieren gesprochene und geschriebene Texte zu Eingrenzung eines Täterkreises.

Linguistische Unternehmensberatung berät schließlich Firmen und Institutionen zu angemessener Kommunikation, Mehrsprachigkeit in Arbeitsprozessen und dem Aufbau von Nomenklaturen und Terminologien.

Viele Universitäten bieten zudem eine professionelle Schreibberatung an. Die Schreibberatung bietet auf der fachlichen Grundlage von Schreibprozessforschung und Schreibdidaktik Problemlösungsansätze bei Schreibproblemen und zielt auf die Verbesserung der individuellen Schreib­kompetenz und auf die Entwicklung eines Repertoires an Schreibstilen ab. Feedback- und Peer-Feedback-Prozesse sind dabei von be­sonderer Bedeutung.

Was macht eine gute Sprachberatung aus? 

Angewandte Linguistinnen und Linguisten zeichnen sich dann als gute Ratgeberinnen und Ratgeber aus, wenn sie beachten, dass zwischen ratsuchenden und ratgebenden Personen eine Divergenz in der Beratungssituation besteht, und wenn sie es schaffen, diese möglichst gering zu halten. Zu den erforderlichen Problemlösekompetenzen und -mitteln zählen neben breitem sprachwissenschaftlichen Wissen auf allen linguistischen Ebenen und sprach- und schreibdidaktischen Kenntnissen vor allem Gesprächsführungskompetenzen, Sensibilität und Empathie, aber auch interdisziplinäre Offenheit und Neugierde im Finden konkreter Lösungen. So können sprachbezogene Probleme identifiziert, fachlich durchdrungen und in konkrete Problemlösungsstrategien umgesetzt werden.

Simone Voran, Universität Würzburg

Die fundierte Beratung zum Umgang mit sprachbezogenen Problemen und sprachlichen Unsicherheiten stellt einen wichtigen Bereich angewandter Linguistik dar. Der Fokus der AL auf fundierte Lösungsangebote für Einzelpersonen, gesellschaftliche Gruppen, Firmen, Behörden und Institutionen als Resultat von Forschungsprozessen wird besonders deutlich in den Angeboten linguistischer Beratungseinrichtungen. Hier eine kleine Auswahl:

Telefonische Auskünfte zu sprachbezogenen Zweifelsfällen des Wortgebrauchs, der Wortherkunft, der Grammatik oder der Rechtschreibung geben die Beratungsstelle der Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. und die Duden-Sprachberatung.

Linguistische Abteilungen an Universitäten bieten schriftliche Sprachberatung per Mailanfragen an, etwa in Innsbruck, Siegen oder Vechta.

Bei Fragen zu Ortsnamen, Familiennamen und weiteren Namentypen bietet die Namenberatungsstelle der Universität Leipzig fachliche Expertise an.

Angewandte Linguistinnen und Linguisten geben in Einzel- und Gruppenschulungen professionelle Schreibberatung für das wissenschaftliche Schreiben.

Der Redaktionsstabs der GfdS im Deutschen Bundestag gibt für die Bundestagsverwaltung, die Fraktionen und für alle Abgeordneten Einzelunterstützung in sprachbezogenen Fragen sowie Ratschläge zur angemessenen Verwendung von Fachsprache, führt die sprachliche Prüfung von Gesetzestexten durch und gibt Übersetzungshilfen für Texte in Leichter Sprache.

Angewandte Linguistinnen und Linguisten beraten auch in einer Arbeitsstelle des Bundeskriminalamtes, indem sie die kriminalistische Arbeit mit der Auswertung gesprochener und geschriebener Sprache (z. B. Schrifterkennung, Sprechererkennung, Autorenerkennung) unterstützen.

Tereza Vyorálková, Universität Brno

Fachliches Beraten in Angewandter Linguistik sucht und vermittelt Lösungen für sprachbezogene Fragen. Und die gibt es häufig – sei es im alltäglichen Mailwechsel im Büro, bei den Hausaufgaben der Kinder oder beim Ausfüllen von Formularen. Aufgrund der einzelfallbezogen ganz unterschiedlichen Anforderungen und Fragestellungen ist stets zuerst eine genaue Situationsanalyse notwendig, damit fundierte Ratschläge und Empfehlungen gegeben und konkrete Lösungsansätze vorgeschlagen werden können. Die Beratung fungiert dabei als Angebot, denn natürlich kann die beratene Partei selbst entscheiden, ob und inwieweit sie die fachlichen Lösungsvorschläge berücksichtigt und umsetzt. Eine sprachwissenschaftliche Beratung umfasst prototypisch die folgenden Punkte:

  1. Transformation einer alltagsweltlichen Fragestellung, die zum Beispiel im Rahmen eines (virtuellen) Gespräches oder als schriftliche Anfrage gestellt wurde, und Identifikation ihres linguistischen Kerns: Welcher sprachlichen Ebene und welcher linguistischen Disziplin (wie z. B. Morphologie, Orthographie, Lexik, Syntax) ist das Problem zuzuordnen?
  2. Recherche, Datenerhebung und Datensammlung in etablierten sprachwissenschaftlichen Werken (Grammatiken, Wörterbücher etc.).
  3. Transformation der linguistischen Befunde (im Rahmen einer alltagssprachlichen Rückübersetzung) hin zu einem sprachbezogenen Lösungsvorschlag oder einer sprachlichen Handlungsempfehlung.
  4. Dokumentation der Anfrage und der Antwort im Beratungsprozess: Die Befunde können so für weitere Forschungszwecke aufbereitet und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Neben Antwortsammlungen auf den Webseiten von Beratungsstellen gibt es Leitfäden und Buchpublikationen.

Das bekannteste Werk, das auf Sprachberatung zurückgeht, ist sicher „Sprachliche Zweifelsfälle”, das mittlerweile in 9. Auflage (2021) erschienen ist:

„Der Dudenband »Sprachliche Zweifelsfälle« steht seit seiner ersten Auflage im Jahr 1965 in enger Verbindung mit der Sprachberatung. So gehen in den Band die wichtigsten Fragen zu Grammatik, Orthografie und Stil ein, die der Duden-Sprachberatung täglich am Telefon gestellt werden.”

(Sprachliche Zweifelsfälle. Das Wörterbuch für richtiges und gutes Deutsch. Herausgegeben von Mathilde Hennig, 9., überarbeitete und erweiterte Auflage Berlin 2021, S. 7)

Der Bereich des Beratens stellt einen wesentlichen Teil der angewandten Linguistik dar, denn gelungene Kommunikation ist Voraussetzung für ein gutes Zusammenleben.

Simone Voran, Universität Würzburg

Wir haben einige angewandt-linguistische Projekte zusammengetragen, in denen die Tätigkeit Beraten ausgeübt wird.

Sie finden sie hier: #Beraten.